Au Pair in Kanada

Erfahrungsbericht von Marie

"Mein Jahr begann offiziell am 06.09.2019, aber eigentlich habe ich mich schon ein Jahr vorher täglich mit dem Plan als Au Pair nach Kanada zu gehen beschäftigt. Dort fing ich an, mich über verschiedene Organisationen, die Aufgaben eines Au Pairs und mein Wunschland zu informieren. Es war sehr aufregend, Bewerbungen abzuschicken und diesen Traum Stück für Stück wahr werden zu lassen. Natürlich gehört auch ein bisschen Aufwand dazu, vor allem was das Visum angeht. Ich habe ziemlich oft mit Active Abroad telefoniert, um sicherzustellen, dass ich nichts falsch mache. Mitte Mai hatte ich auch dafür alles bereitliegen und es ging los, nach einer Gastfamilie zu suchen. Auch das war sehr aufregend. Ich hatte ziemlich schnell einen ersten Vorschlag von einer Familie auf Vancouver Island. Wir haben auch ein paar Mal geskypt und ich glaube, dass es auch gepasst hätte, aber irgendwie war ich nicht zu 100% zufrieden und da ich in allen Erfahrungsberichten gelesen habe, man soll auf sein Bauchgefühl hören, beschloss ich, auf einen anderen Vorschlag zu warten. Active Abroad schickte mir ein weiteres Familien Questionnaire von einer Familie mit drei Jungs aus Calgary, die ab September ein neues Au Pair suchten. Die Familie wohnte in Calgary, hatte drei Jungs (1,4,7) und ich musste von montags bis donnerstags von 7:30 Uhr bis 16:15 Uhr arbeiten. In dem Questionnaire hieß es, dass ich morgens die beiden Älteren zur Schule bzw. in den Kindergarten fahren musste und dann erstmal nur den Kleinen hatte, mögliche Aufgaben wie Einkaufen etc. erledigen konnte und dann mittags den Mittleren vom Kindergarten abholen, Lunch zubereiten und während der Kleine schläft, mit dem Mittleren spielen musste. Nachmittags sollte ich dann zusammen mit den anderen beiden, den Ältesten von der Schule abholen. Hinzu kamen dann eventuell noch Aufgaben wie Dinner vorbereiten, Wäsche waschen und wegräumen… Sofort nach dem ersten Durchlesen des Briefes der Familie und der Fotos war ich begeistert und fühlte mich angesprochen. Wir haben dann auch ein paar Mal geskypt, bis dann im Juni Active Abroad bei mir anrief und fragte, ob ich immer noch Interesse an der Familie hätte, weil sie sich für mich entschieden haben. Ich war so glücklich und wir haben ziemlich schnell nach Flügen geguckt.
Die letzte Zeit zu Hause verflog dann ziemlich schnell. Ich bereitete mich auf meinen Auslandsaufenthalt vor, besorgte noch die restlichen Dinge und verbrachte viel Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden. Es gab auch Tage an denen ich sehr mit der Entscheidung ein Au Pair Jahr zu machen haderte. Ich hatte Angst, dass ich mit den Aufgaben und den Kids überfordert sein würde, ich mich in der Familie nicht wohlfühlte und keine Freunde finden würde. Im Nachhinein ist das alles unbegründet gewesen, aber woher will man so was vorher wissen?!
Am Flughafen in Amsterdam konnte ich mich nur schwer von meiner Familie trennen und ein Stück von mir wäre am liebsten zu Hause geblieben, aber ein viel größeres Stück wollte dieses neue Abenteuer endlich beginnen und ich habe mir gesagt, dass ich immer noch abbrechen könnte, wenn alle Stricke reißen. Aber auch hier habe ich mir natürlich wieder viel zu viele Sorgen gemacht. Sobald ich im Flugzeug saß, konnte ich mich mehr entspannen und hatte dann eher Angst, dass was mit dem Visum nicht stimmt und ich nicht einreisen kann und wie traurig mich das machen würde.
Wenn man in Calgary landet und dann vom Flugzeug durch diesen Gang ins Flughafengebäude läuft, läuft man direkt auf eine große Wand zu, auf der „Welcome to Canada“ umgeben von ganz vielen Ahornblättern steht. Ich konnte es in dem Moment kaum glauben, dass ich wirklich in Kanada war! Auch das mit dem Visum war viel einfacher, als man vorher denkt. Die Beamten wollten noch nicht einmal alle Papiere sehen und schwups war es schon so weit und ich traf auf meine Gastmutter, die mich alleine vom Flughafen abgeholt hat. Ich war so erleichtert, als wir uns umarmt haben! Sie hat mich dann zum Auto geführt und auf der Fahrt haben wir uns dann schon gut unterhalten. Zu Hause wurde ich dann von dem Rest der Familie und dem damaligen Au Pair empfangen. Die Jungs haben mich direkt mit aufs Trampolin gezogen und zusammen wurde ein bisschen Energie abgelassen.
Die erste Nacht in einem neuen Bett war definitiv nicht die beste, aber ich habe versucht mich zu entspannen und Optimismus für die nächste Zeit zu sammeln. An dem ersten Wochenende waren wir direkt für einen Tag in Banff am Johnston Canyon. Diesen Ausflug werde ich nie vergessen! Ich habe mich so wohl und direkt wie ein Familienmitglied gefühlt. Auch habe ich direkt in der ersten Zeit gemerkt wie freundlich und interessiert Kanadier sind. Überall wird man gefragt „How is it going?“ oder „How are you?“ und wenn sie merken, dass man einen anderen Hintergrund hat, wird gefragt, woher man kommt, was man hier macht und wie es einem gefällt. Das wusste ich sehr zu schätzen, weil man sich direkt aufgenommen gefühlt hat. Auch die Kanadier haben dann oft erzählt, woher sie eigentlich kommen oder wo sie schon überall in Europa waren. Für mich ist das eine sehr schöne Angewohnheit, weil es dadurch oft nicht nur bei Oberflächlichkeiten blieb.
In der ersten Woche bin ich mit dem damaligen Au Pair alle Routinen durchgegangen und wurde von ihr in den Alltag eingeführt und mit der Umgebung bekanntgemacht. Das hat mir sehr geholfen, zu sehen wie sie mit den Kids umgeht und das alles regelt. Ich habe mich oft gefragt, ob das bei mir später auch alles so einfach aussieht und ich mit den Kids so gut zurechtkomme.
Nachdem ich von der Partnerorganisation die Kontakte von Au Pairs in der Gegend bekommen habe, direkt andere Au Pairs angeschrieben und mich mit ihnen getroffen. Es tat gut, Menschen zu treffen, die in derselben Situation stecken wie man selbst und sich auszutauschen. Ich kann es aber auch empfehlen über Facebook nach Au Pairs in der Nähe zu gucken, weil man von der Organisation leider nur Kontakte zu Au Pairs bekommt, die mit der gleichen Organisation unterwegs sind, bekommt. Ich habe aber auch über die Organisation meine beste Freundin in Kanada gefunden und finde es echt immer noch verrückt, dass man nach so einer langen Reise, eine Person findet, die einem so ans Herz wächst. Nachdem das alte Au Pair dann abgereist ist, war es für mich an der Zeit, die Aufgaben zu übernehmen. Ich habe mir Mühe gegeben alles möglich so zu machen, wie das Au Pair vor mir auch. Es war sehr anstrengend und abends war ich froh, im Bett zu liegen. Trotzdem habe ich mich sehr schnell eingelebt und wohl gefühlt. Morgens habe ich Frühstück vorbereitet, den Kleinen angezogen und dann gings zur Schule. Die Zeit danach habe ich genutzt um entweder mit dem Kleinen Einkaufen zu gehen oder andere Aufgaben, die meine Gasteltern mir gaben, zu erledigen, oder wenn mal nichts zu tun war, mit dem Kleinen auf den Spielplatz zu gehen, in den Zoo oder ins Science Center zu fahren. Mittags habe ich den beiden Jüngeren dann Lunch gemacht und dann, während der Kleine genappt hat, mit dem Mittleren gespielt, gebacken, gebastelt, Playdates mit andern Au Pairs oder den Nachbarkindern gehabt und vieles mehr. Zusammen haben wir dann immer den Kleinen aufgeweckt und anschließend den Großen von der Schule abgeholt. Meistens fing ich dann schon an, Dinner vorzubereiten (wir haben immer um 17:30 zu Abend gegessen und auch erst abends warm) und die Jungs haben in der Zeit entweder untereinander oder mit den Nachbarskindern gespielt. Manchmal haben wir die Zeit nach der Schule aber auch genutzt, um in die Bücherei oder auf ein Spielplatz zu gehen.
Es gab auch Tage, an denen es nicht alles so rund lief. An den Tagen habe ich zum Beispiel zu hören bekommen, dass ich wieder nach Deutschland gehen soll. Innerlich weiß man genau, dass sie das nicht Ernst meinen und man das einfach ignorieren muss, aber mich hat es vor allem am Anfang schon sehr verletzt. Es hat mich viel Zeit gekostet, das einfach zu überhören. Es lag aber an den Tagen bestimmt nicht nur an den Kindern, dass es schlecht lief, sondern auch an mir, weil ich vielleicht müde oder einfach ungeduldig war. Ich lag auch manchmal im Bett und habe mich gefragt, warum ich mich eigentlich so abmühe, wenn die Kinder es eh nicht zu schätzen wissen. Die Antwort ist, dass es so viele andere Momente gibt, in denen die Kinder dich in den Arm nehmen, dir sagen, dass sie dich lieb haben, mit dir spielen wollen, auch wenn du off bist und dir einfach das Gefühl von zu Hause vermitteln. Ich erinnere mich an einen Abend, wo ich spazieren war und als ich zurückkam, ein bisschen Heimweh hatte. Ich habe mich dann mit meiner Gastmutter unterhalten und irgendwann kam einer von den Jungs rein und hat gefragt, was los ist und ich habe es ihm erklärt. Daraufhin hat er mich einfach in den Arm genommen und das tat sehr gut! Natürlich ist es nicht immer leicht, aber die schweren Momente bleiben einem später nicht so in Erinnerung wie die schönen.
Neben dem Arbeiten habe ich mich viel mit anderen Au Pairs getroffen. Zusammen sind wir am Wochenende in die Berge gefahren oder haben Wochenendtrips unternommen oder ein Event in Calgary besucht. Das waren die Momente, die mir Motivation für die nächste Woche gegeben haben. Es tat gut, am Wochenende mal rauszukommen und was Neues zu sehen. Die Rockies und die ganzen Seen sind einfach sehr beeindruckend. Leider fing es Ende September schon an zu schneien und von da an, gab es kaum einen Tag, an dem kein Schnee lag. Aber irgendwie fand ich, dass das zu meiner Vorstellung von Kanada dazugehörte. Meine Gastfamilie hat mich auch viel mit zum Skaten genommen und ab Dezember waren wir an einigen Wochenende in Fernie Ski fahren. Diesen Winter werde ich sehr vermissen- abgesehen von den -40°C Tagen vielleicht.

Alle Erfahrungsberichte